Am Anfang war alles in Frieden.
Die Menschen verehrten die große Mutter und die Frauen, welche neues Leben gebaren.
Alle Menschen liebten einander, egal welches Geschlecht sie hatten.
Sie lebten diese Liebe zueinander offen aus und feierten sie in Ritualen.
Kein Mensch wusste, warum und woher die Kinder kamen, doch wurde das Leben und die Geburt als etwas magisches geehrt und gefeiert. Auch der Tod wurde als etwas magisches geehrt und gefeiert.
Die Menschen verehrten und feierten die Wandlung, das Werden und Vergehen.
Sie hatten großen Respekt davor, großen Respekt vor ihrer Umwelt und großen Respekt vor ihren Mitmenschen.
Die Menschen waren dankbar und drückten dies durch Verehrung aus. Das Leben war voller Magie und die Menschen waren sich dessen bewusst, durch tägliche Handlungen verehrten sie es. Der Sex war Teil dieser Verehrung. Jeden Abend versammelten sich die Menschen um ein Feuer und berührten sich gegenseitig in Achtsamkeit. Sie streichelten und massierten ihre Körper. Sie küssten sich und wurden intim miteinander. Dies geschah zwischen allen Geschlechtern gleichermaßen. Es verbanden sich Frauen mit Frauen, Männer mit Männern, Frauen mit Männern und umgekehrt.
Die Sexualität der Menschen war Ausdruck tiefen Vertrauens und ehrlicher Zuneigung.
Sie verehrten sich dadurch gegenseitig und feierten das Leben auf diese Weise.
Die körperliche Verbindung zweier Menschen wurde als etwas magisches und Heiliges angesehen. Die Menschen schliefen jede Nacht eng aneinandergeschmiegt, um sich gegenseitig Wärme und Liebe zu geben und jeden Morgen erhoben sie sich mit der Sonne, um gemeinsam zu singen und zu tanzen, als Ausdruck ihrer Dankbarkeit für das Licht, das Leben und die Natur. Auch die Frauen, durch deren Körper das Leben in die Welt kam, wurden als etwas magisches geehrt und gefeiert.
Alle Menschen kümmerten sich gemeinsam um die Kinder, die in die Welt kamen.
Die Männer tranken mit ihnen die Muttermilch von den Brüsten der stillenden Frauen.
Sie badeten ihr Leben lang in mütterlicher Liebe, waren friedlich und verhielten sich hochachtungsvoll.
Es hätte auf ewig so weiter gehen können, mit den Menschen. Doch eines Tages erschien ein Dämon, der später „Teufel“ genannt und noch später zu „Gott“ erhoben werden sollte… Dieser Dämon ergriff einen Mann und flüsterte ihm ins Ohr:
„Es ist nichts Magisches daran, Mann, am Kinderkriegen! DU hast einen Anteil! DU trägst den Samen in dir, der den Impuls für neues Leben gibt. DU führst den Zeugungsakt aus und kannst Kinder aus deinem Samen wachsen lassen! Werde dir dessen bewusst! DU kannst bestimmen, in einer Frau NUR DEINEN Samen wachsen zu lassen. Du kannst sogar in ALLEN Frauen nur DEINEN Samen wachsen lassen, wenn du stark und schlau genug dazu bist… Ich sage dir, denke darüber nach und werde dir bewusst! Du hast die Macht, deine eigenen Kinder in die Welt zu bringen und deinen Samen zu vermehren…“
Mit diesem Geflüster des Dämons, von dem keiner wusste, warum und woher er gekommen war, begann das große Unheil und der Frieden verschwand mit der Zeit…
Sie wurden entehrt, die Göttinnen und Hohepriesterinnen, sie wurden entweiht und zu Brutkästen degradiert. Mutterschaft war nichts Heiliges, nichts göttliches mehr, sondern eine Dienstleistung, ausgeführt von einer Dienerin. Frauen wurden mit der Zeit zu Eigentum, die Ära des Patriarchats hatte begonnen.
Wer war er, dieser „Adam“? Dieser, von Dämonengeflüster verführte, erste egoistische, manipulative Macho? Der erste Knechter der Frauen, der erste Brudermörder, der Begründer der ersten Religionen, der große Unheilstifter? Noch Jahrtausende später leidet die Welt unter seinen Taten, herrscht das Patriarchat über die Menschheit. Wie konnten seine Ohren den fauligen Worten des Dämons so zugeneigt gewesen sein, dass die Liebe in seinem Herz vergiftet wurde und das Ego die Macht über ihn erlangte? Wie konnte sein Gehirn beginnen, auf Vorteil zu rechnen und den größten Gewinn in der Ausbeutung erkennen?
Wie konnte er nur seine Mutter verraten? Seine leibliche Mutter so wie alle anderen Mütter seines Volkes als auch die große Mutter Erde, auf deren Leib die Menschen und alles Leben seit jeher wandeln? Welches Gift war in ihn gedrungen und hatte ihn empfänglich für das Böse gemacht? Bittere Tränen folgten seinen Taten, der Verrat hatte seinen Weg in die Menschheit gefunden, der Weg zu den ersten Kriegen war geebnet worden...
©Miriam Strasser
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